Müllsammeln – für ein sauberes Schleswig-Holstein

Müllsammeln am Elbhochufer

Eine Bank, ein Polster und ein Teppich… nein, wir sind nicht umgezogen. Dies und noch viel mehr haben wir in dem Grünstreifen am Elbwanderweg gefunden.

Am 23.03.2019 räumt Schleswig-Holstein auf. Gemeinsam haben MitgliederInnen des Klimaschutzfonds Wedel e.V. und Wedel-im-WandlerInnen Müll zwischen Kraftwerk und Graf-Luckner-Haus gesammelt. 

Müllsammeln am Elbhochufer

Mit 16 Erwachsenen und 2 Kindern waren wir zwischen 10 und 12 Uhr im Einsatz. Es ist ganz erstaunlich, was man auf den zweiten, dritten oder vierten Blick alles so findet. Von den leeren Bierflaschen im Brombeergestrüpp, bis hin zu Plastikdeckeln, Verpackungen von Süßigkeiten und ganz vielen kleinen Plastik- und Styroporschnippseln. 

Mülltransport mit dem Lastenfahrrad

Unsere „Ausbeute“, die gut 10 vollen Müllsäcke und die Wohnungseinrichtung, haben wir zum Hans-Böckler-Platz gebracht, die dort umgehend von der städtischen Reinigung abgeholt wurde. So schnell, dass wir nicht einmal das Ergebnis fotografisch festhalten konnten.

Einige trafen sich dann ab 12 an der Feuerwehrwache auf eine Bratwurst, die die Stadt Wedel allen fleißigen HelferInnen als Dank spendierte.

Fazit: Warum nicht ab und zu mal eine Stunde sammeln gehen. An den Wegesrändern liegt immer etwas rum. Das fällt einem sogar noch besonders auf, wenn man gerade so auf Müll fokussiert war.

Text: SP

Plogging

Plogging

„Plogging“ sagt die Dame auf der Abendveranstaltung. Sie schaut in fragende Gesichter. Die Dame erläutert: „Das ist, wenn man beim Jogging Müll aufsammelt.“ Aha. Eine neue Trendsportart also, mit griffiger Bezeichnung.
Wikipedia erklärt mir später: „Plogging ist ein Kofferwort, gebildet aus den Bestandteilen „plocka“ (schwedisch aufheben) und Jogging, und steht für eine Natursportart, bei der – zumeist organisiert und mit Handschuhen sowie Abfallbehältnissen ausgestattet – die Vermüllung der Landschaft bekämpft wird.“ Nun ist alles klar.
„Plogging“ denke ich am nächsten Morgen unter der Dusche. Mein Bruder hat gerade eine neue Sportart für sich entdeckt, ich bin etwas neidisch. Soll ich es nun mal mit Plogging probieren? Aber Joggen ist nun gar nicht so meins, das müsste ich dann irgendwie ersetzen. Schon oft habe ich, wenn ich unterwegs war, den Müll anderer Leute aufgesammelt. Ich mag keine vermüllte Landschaft.
Für meinen heutigen Tagesausflug packe ich einen gelben Sack von der Rolle in die Seitentasche meines Rucksackes. Mal sehen.
Es geht zum Trischendamm. Der Trischendamm liegt dort, wo alle Autos HEI DI, HEI NO, HEI KE, HEI NZ und HEI KO heißen, weil ihre Kreisstadt HEI DE heißt. Am südlicheren Westzipfel Dithmarschens ragt der Trischendamm jenseits des Deiches 2,2km in die Nordsee, also ins Wattenmeer, hinaus und verlängert sozusagen der Elbe nördliches Ufer. Schon zu Grundschulzeiten habe ich diesen Damm besucht und komme immer gern mal wieder hierher. Einst habe ich am Ende dieses Dammes meiner Freundin den Verlobungsring aufgesteckt. Und auch mit Kinderwagen und später selbst laufenden Kindern sind wir hier gewesen, aber gern komme ich auch allein hierher. Selbst in Motorradstiefeln habe ich den Weg schon bewältigt. Kurz: ich kenne den Damm seit gut fünfzig Jahren.

Ich parke gebührenfrei in Friedrichskoog und fahre mit dem Fahrrad außendeichs nach Friedrichskoogspitze, schließe das Rad an und beginne meine Wanderung auf den Damm hinaus. Es erstaunt mich, wieviel Müll hier herumliegt. Der meiste Müll liegt auf der nördlichen Seite des Dammes. Ich wandere ganz zum Ende des Dammes, mache brav meine Touristenfotos, die Augen genießen den Blick in die Weite, die Nase die frische Luft, die Ohren die Ruhe, alle sind zufrieden.
Auf dem Rückweg ziehe ich den gelben Sack aus dem Rucksack und beginne den Müll einzusammeln. Die von Wikipedia empfohlenen Handschuhe brauche ich nicht, Finger kann man hinterher waschen. Auch „organisieren“ kann ich mich alleine. Mehr oder minder große Stücke aus Fischernetzten, Luftballons, Plastikflaschen, ein paar (nicht Paar) Schuhe, eine Sandschaufel, Plastikbecher, Plastikfolienstücke jeder Dicke und Größe, eine große, schlickverschmierte Plastikkiste, ein Reibholz (= Fender eines Binnenschiffes aus Holz) mit langem Kunststoffseil daran, Lebensmittelverpackungen aller Arten und Größen, Flaschenverschlüsse, Trinkhalme, ein Plastikeimerchen noch halb voll mit einem Schmierfett, eine Kartusche (so eine wie man sie für Silikon kennt), aber ebenfalls noch teilweise mit Schmiermittel gefüllt, drei große Plastikkanister und vieles mehr sammle ich an den steilen, rutschigen, basaltgepflasterten Flanken des Dammes ein oder angele ich mit bereitliegenden Stöcken aus dem Wasser. Bei auflaufendem Wasser muss ich schon aufpassen, dass ich mir dabei keine nassen Füße hole. Ich turne auf allen Vieren immer wieder an der Wasserkante herum, kralle mich mit den Fingern an den Kanten der Basaltblöcke fest. Ich ersetze also das Joggen in Plogging durch Freeclimbing. Wie bildet man daraus nun ein neues Kunstwort?
Das Reibholz ist ganz schön schwer, bestimmt zwei Kilometer zerre ich es an seiner Leine auf der Dammkrone wie einen störrischen Hund hinter mir her in Richtung Deich.

Friedrichskoogspitze ist gut besucht, der große, gebührenpflichtige Parkplatz hinter dem Deich ist reichlich mit Autos gefüllt. Dementsprechend kommen immer wieder Leute den Damm entlanggewandert und müssen mir zwangsläufig bei meinem Tun ein wenig zuschauen. Bei Vielen verstummt die Unterhaltung für die Zeit der Passage. Sprecht bloß nicht mit dem komischen Mann, der da im Dreck rumwühlt! Ein älterer Mann erzählt seinem Dackel: „Beim nächsten Mal ist dann alles sauber hier!“ und geht weiter. Mit sehr Wenigen wechsele ich ein paar Worte. Ich fasse mein Tun kurz: „Das ist das Mikroplastik der Zukunft. Jetzt ist es noch so groß, dass man es einsammeln kann!“ Erst neulich ging die Meldung durch die Medien, dass man nun sogar in menschlichem Stuhl Mikroplastik nachgewiesen hat. Mehrere meiner Gesprächspartner haben diese Meldung selbst auch gehört.
Auch ein junger Mann von der Schutzstation Wattenmeer geht mit der Gruppe, die er führt, schweigend vorbei. Auch auf dem Rückweg hat er zu tun, er erklärt seinen Gästen gerade irgendwelche politischen Probleme rund ums Wattenmeer.
Ich mache eine Pause, setze mich auf das Podest eines Münzfernrohrs am Deich und futtere Proviant aus meinem Rucksack. Zwei Frauen mit großen Eisbechern, wohl Mutter und Tochter, gehen an mir vorbei auf den Damm. Als ich mein Müllsammeln fortsetze, finde ich dann auch die beiden frisch geleerten Eisbecher am Damm. Ferkel! Hirnbefreit?
Der junge Mann von der Schutzstation Wattenmeer ist seine Besucher los und kommt, zu meiner Überraschung, zurück. Mit den Händen in den Hosentaschen fragt er, warum ich denn den Müll aufsammle. Ich antworte mit Gegenfragen: „Soll ich nicht? Soll das so bleiben? Sieht doch schlimm aus. Ich komme seit vielen Jahren hierher und so schlimm sah es noch nie aus. Liegt wahrscheinlich daran, dass gerade die erste Sturmflut der Saison war.“ Wir unterhalten uns ein wenig. Der junge Mann in blauer Takelbluse mit großem Logo der Schutzstation Wattenmeer darauf, ist BFD, erzählt mir später ein schlauer Schaukasten. Seine Kollegen sind HBFD, FÖJ und ebenfalls BFD, aha. BFD ist wohl mit Bundesfreiwilligendienst zu übersetzen. Das Wort Plogging hat er schon einmal gehört, das machen die in den Städten, sagt er. Er fragt, wo ich denn mit dem Müll bleiben wolle. Ich sage, ich könnte alles bei seiner Schutzstation Wattenmeer vor die Tür stellen, so als Anschaungsmaterial für ihre Ausstellung. Schweigen – welcher Art auch immer. Er erzählt mir, dass sie neulich eine Müll-Kartierung gemacht haben, da war auch ein großer Kanister dabei, der liegt da wahrscheinlich immer noch. Mit den Händen in den Hosentaschen tröstet er mich dann, ich sei ja bald fertig und er müsse dann mal weiter.
Am Deich breite ich alle meine in etwa zweieinhalb Stunden gesammelten Schätze an einer windstillen Stelle in der Abendsonne zum Gruppenfoto aus.

Nachdem ich das Bild im Kasten habe, schleppe ich alles zum Anfang des Trischendamms direkt am Deich und stelle es dort auf wie man seine Mülltonne am Straßenrand zur Leerung platziert. Damit nichts wegfliegt, beschwere ich alles mit dem Reibholz. So lasse ich das Ganze stehen.
Ich blicke zurück den Trischendamm entlang. Ist doch schön, wenn es da draußen jetzt etwas sauberer ist, die Vögel sich wenigstens dort keine Kunststofffasern mehr zum Nestbauen oder zum darin Verheddern holen können.
Meinen gelben Sack nehme ich wieder mit, den kann ich trocknen und nochmal benutzen.
Gerade geht eine Mutter mit zwei kleineren Kindern auf den Damm hinaus. Eins der Kinder führt einen selbstgebauten Drachen mit, so richtig mit vielen bunten Schleifen am Schwanz. Das junge Paar mit der Gitarre in der Hand ist schon weiter draußen.
Weiter draußen auf der Elbe vor Cuxhaven begegnen sich gerade unter der schon tief stehenden Sonne die Contanainerriesen CMA CGM B FRANKLIN (399m x 54m), ONE CONTINUITY (320m x 46m) und NYK EAGLE (364m x 51m). Die bringen bestimmt ganz viele tolle neue Produkte aus Plastik!
Ich radele zurück nach Friedrichskoog. Am mausetoten Hafen suche ich das Haus der Schutzstation Wattenmeer auf, aber dort ist niemand mehr, dem ich erzählen könnte, wo sie den Müll nun gesammelt abholen könnten.
Der Hafen von Friedrichskoog ist nach langem Kampf der örtlichen Bevölkerung gegen die Landesregierung nun wirklich mausetot, weil die Landesregierung die Deichschleuse, durch die früher Kutter und Segler fuhren, in ein Schöpfwerk hat umbauen lassen. Die alten Schleusentore liegen noch gestapelt auf dem Hafengelände.
Früher war der Hafen voll mit Krabbenkuttern und Booten, drumherum gab es mehrere Gastronomiebetriebe sowie eine Werft. Alles Geschichte.
Auf dem großen Parkplatz am Hafen war schon bei meiner Ankunft eine Ansammlung von großen, geschlossenen Kleinlastwagen mit polnischen und bulgarischen Kennzeichen. Offenbar sammeln sie in dieser Gegend den Sperrmüll ein, der aktuell überall vor den Häusern auf dem Bürgersteig steht. Als ich zu meinem Auto zurückkehre, sind dort gerade wieder vier der Fahrzeuge versammelt und die Fahrer zeigen sich gegenseitig, was an metallhaltigem Müll sie ergattert haben und tauschen dies und das hin und her.


Wäre doch toll, wenn sich auch mal Leute finden würden, die sich für Plastikmüll interessieren und den einsammeln. Aber dazu muss wohl auf jedem Fitzel Pfand drauf sein, sonst fehlt es an der nötigen Motivation.
Durch die mit Weißkohl und Rotkohl und weißen, rot blinkenden Windrädern bestandenen Felder der Köge Süderdithmarschens mache ich mich auf den Heimweg. Mir fällt ein, dass auch Flagge und Wappen Dithmarschens im Wesentlichen in den Farben Rot und Weiß gehalten sind, gibt es da etwa einen Zusammenhang?
Im Rückspiegel sehe ich den letzten orangen Sonnenstreifen am Horizont verschwinden.

Text und Bilder: JK, 2018-10-29