Im April 2023 lässt sich eine Gruppe Wedel-im-Wandler*Innen nicht von Regen und Sturm abhalten, einen Biohof im Norden von Pinneberg zu besuchen.
Da ich seit ca. zwei Jahren auf dem BIO Hof auf dem hauseigenen Acker ehrenamtlich – hauptsächlich beim Beikraut entfernen – geholfen habe, hatte ich die Idee, dass auch die anderen Mitglieder von Wedel im Wandel diesen kleinen, sympathischen BIO Hof einmal kennenlernen sollten. Diese Idee wurde sofort begeistert aufgenommen. Somit sind wir an einem Samstag mit 9 Personen von Wedel aus zu dem ca. 20 km entfernten BIO-Hof gefahren. Bevor ich aber nähere Details unseres Besuchs schildere, möchte ich zum besseren Verständnis ein paar Informationen zu dem BIO Hof vorausschicken:
Der BIO Hof befindet sich in Borstel-Hohenraden, im Norden von Pinneberg (vollständige Adresse befindet sich am Ende des Textes). Silvie Schwickart und Jörg Ostermann bewirtschaften zusammen seit einigen Jahren den kleinen idyllischen EU-BIO zertifizierten Bauernhof mit Hofladen im Norden von Pinneberg. Silvie betreibt mit Hingabe und Herzblut den Hofladen mit BIO Lebensmitteln aus eigenen Anbau und den dazu gekauften BIO Produkten, und ihr Mann Jörg bewirtschaftet ebenfalls mit Hingabe und viel Zeit die ca. 25 ha großen Landwirtschaftsflächen, wo Gemüse, Getreide und Kartoffeln u.v.m. angebaut werden. Zum Bauernhof gehört ein großes Gehege mit frei laufenden ca. 180 Hühnern und zwei Ziegen, außerdem haben sie auch noch ein paar „Angler Sattel“ Schweine. Die BIO Eier und das BIO Fleisch von den Schweinen, und dem BIO Galloway Fleisch aus der Region (die Galloways werden auf 15.000 ha wilden Weiden gehalten) werden im Hofladen verkauft.
Eigentlich ist Silvie Schwickart von Beruf Sozialpädagogin, aber schon lange hatte sie von einem eigenen Hofladen geträumt, in dem es nur Bio-Lebensmittel gibt. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes Jörg Ostermann hat sie sich vor einigen Jahren dann ihren Traum erfüllt, indem sie mit Jörg dort einen alten Kuhstall zum einem gemütlichen Bio-Hofladen mit Vollsortiment umfunktioniert hat.
Nicht nur Jörg, auch Silvie verfügen über umfangreiches Wissen und Kompetenz rund um das Thema BIO Lebensmittel, Produkte und Anbau. Jörg ist eigentlich konventioneller Bauer gewesen und hat angeregt durch Silvie vor einigen Jahren die Landwirtschaft auf biologische Landwirtschaft (EU-BIO Zertifiziert) umgestellt. Auch wenn Jörg ein sehr erfahrener Bauer ist, war es für ihn auch erst einmal eine Umstellung und er musste einiges über biologischen Anbau dazu lernen. Biologischer Anbau bedeutet wesentlich mehr Arbeit, was gerade für einen kleinen nur zwei Personen großen Betrieb eine große Herausforderung ist. Und nicht selten arbeiten beide 7 Tage die Woche. Die Motivation, diese Strapazen auf sich zu nehmen, ist ihr Herzensanliegen, regionale, hochwertige biologische Lebensmittel zu produzieren; quasi frisch vom Acker direkt – ohne Umwege und lange Transportwege – in den eigenen Hofladen. Seit zwei Jahren hat sich eine kleine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern gebildet, die regelmäßig Jörg bei der Arbeit auf dem Acker unterstützt, z.B. Beikraut entfernt und Setzlinge einpflanzt. Auch wenn die Helfer schon eine kleine Entlastung darstellen, freuen sich Jörg und Silvie über weitere zusätzliche ehrenamtliche Helfer.
Nun zurück zu unserem Besuch auf dem BIO Hof, der auch manchmal liebevoll „Silvies Hof“ genannt wird. Leider hatten wir am Tag des Besuchs zwar keinen Regen, aber der Himmel war grau und es wehte ein ungemütlicher, kalter Wind. Zunächst haben wir uns den Hofladen von Silvie angesehen, die uns herzlich empfangen hat. In dem kleinen aber gemütlichen Hofladen, der einem Tante Emma Laden ähnelt, waren zu unserer Überraschung ein sehr umfangreiches Sortiment an hochwertigen biologischen Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Lebens untergebracht und liebevoll präsentiert. Man kann dort sogar Kaffee (oder Tee) und Vollwert-Kuchen bekommen, den man bei gutem und warmen Wetter draußen vor dem Hofladen – umrankt von Hochbeeten mit duftenden Kräutern – genießen kann. Einige von uns haben die Gelegenheit genutzt und haben ihre Wocheneinkäufe getätigt. Nach anregenden Gesprächen mit Silvie haben wir die Äcker und das Hühner-Gehege samt Ziegen, die hinter dem Hofladen sich befinden, aufgesucht. Der Weg dorthin war schwierig, weil die Wege durch den vielen Regen der letzten Tage sehr matschig waren. Leider war auf dem Acker noch nicht viel zu sehen, da die Saison gerade startet. Daher habe ich ein paar Fotos vom Sommer im letzten Jahr diesem Bericht hinzugefügt.
Auf dem Rückweg vom Acker haben wir Jörg auf dem Hof getroffen, der glückerlichweise für uns seine Arbeit unterbrochen und uns einen kleinen Einblick in die Herausforderungen eines kleinen BIO Hofes gegeben hat. Ich fasse dies in Kürze mit meinen Worten zusammen:
– der Hof ist EU-BIO zertifiziert und die Auflagen werden seit Jahren immer umfangreicher, bürokratischer, arbeitsaufwendiger und kostenintensiver für kleine BIO Betriebe. Große BIO-Betriebe können es sich leisten, einen extra Mitarbeiter dafür abzustellen und sie haben auch mehr Geld zur Verfügung, dies kann ein kleiner Betrieb nicht. Die anfallenden bürokratischen Arbeiten müssen neben der vielen harten Arbeit auf dem Hof zusätzlich noch geleistet werden
– Jörg hatte vor kurzem online einen erforderlichen Antrag ausgefüllt und dabei ist ihm ein Fehler unterlaufen, ein Häkchen an der falschen Stelle. Die Behörde hat es aber in sehr kleinlicher Weise nicht gestattet, dies nachträglich zu korrigieren
– die Kontrolleure der Landwirtschaftsbehörde, die die BIO Betriebe regelmäßig prüfen, sind häufig junge studierte Argar-Ökonomen, die wenig Erfahrung in der praktischen Landwirtschaft haben. Die teilweise rigiden Vorschriften gehen nicht selten an der Realität der tatsächlichen Landwirtschaft vorbei. So bekam der BIO Hof kürzlich die Auflage, vor dem Hühnergehege eine Desinfektionswanne (Hygienebad) aufzustellen, die man vor dem Betreten des Geheges durchschreiten sollte
– gerade kleine BIO Betriebe geben daher vorzeitig auf, weil sie den zunehmenden Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Man muss dazu aber erwähnen, dass ein EU-BIO zertifizierter Betrieb, genauso wie die konventionellen Landwirtschaftsbetriebe, auch staatliche Gelder erhält, die man dann bei vorzeitiger Aufgabe zurückzahlen müsste. Das politische Ziel, die biologische Landwirtschaft auf 30% auszubauen, wird nach Jörgs Meinung durch die erwähnten enormen Belastungen sicherlich nicht erreicht werden (zurzeit sind es ca. 12 %)Auch wenn durchs Jörgs Schilderung die Schattenseiten der BIO Landwirtschaft deutlich wurden, sollte dieser Bericht nicht pessimistisch enden, denn trotz dieser Hindernisse, bewirtschaften Silvie und Jörg weiterhin mit großer Leidenschaft ihren Hof und haben ja bereits seit vielen Jahren gute biologische Produkte für die Region erzeugt und damit einen wertvollen Dienst für die Region geleistet. Und vielleicht liest ja der eine oder andere Agrar-Ökonom oder Landwirtschafts-Politiker diesen Bericht und setzt sich für bessere Bedingungen gerade für kleine regionale BIO Landwirtschafts-Betriebe ein. Aber auch, wenn es ein BIO Hof leichtere Bedingungen hätte, wird er ohne Kunden, die die Produkte auch abnehmen, nicht überleben können. Ganz konkret ausgedrückt: Nur wenn möglichst viele Kunden in Silvies Hofladen die biologischen Produkte auch kaufen, kann so einer kleiner BIO Hof überhaupt überleben.
Der Bericht wurde verfasst von Ralf Manthey, ralf-manthey@online.de, April 2023