Wie nachhaltig ist Bio-Plastik?

grüner Bioplastiklöffel im Kompost

Allgemein

„Die Ursprünge von  Bio-Kunststoff gehen weit zurück: schon ab dem 17. Jahrhundert begannen Naturforscher damit, Biopolymere (z.B. Kautschuk, Leinöl oder Zellulose) chemisch zu modifizieren, um neuartige Eigenschaften zu erreichen. Die dabei entwickelten ersten Kunststoffe wie Gummi, Linoleum oder Celluloid, werden auch als halb-synthetische Kunststoffe bezeichnet und gehören aufgrund ihrer biogenen Rohstoffbasis zu den ersten Biokunststoffen“ (vgl. https://www.carmen-ev.de/stoffliche-nutzung/biokunststoffe/herstellung/2245-herstellungsverfahren, 13.04.2019)

Das heutige BIO-Plastik  wird aus nachwachsenden Rohstoffen angefertigt, daher auch „bio-basierender“ Plastik genannt.  Aber nur ca. 30 % des „bio-basierenden“ Plastiks ist  auch gleichzeitig kompostierbar (die Kompostierbarkeit hängt von der chemischen Struktur des Bio-Plastik ab). Die Kompostierbarkeit ist übrigens nicht nur auf Bioplastik begrenzt, sondern es gibt auch kompostierbares konventionelles Plastik aus fossilen Rohstoffen (Erdöl). 

 Es gibt verschiedene Ausgangsstoffe  für die Herstellung für Bio-Plastik:

Lebensmittelbasierend: aus Pflanzenölen, wie Soja, Palm, Sonnenblumen, Rizinus, Rapsöl,
aus Stärke, wieMais, Weizen, Kartoffeln, Tapioka, etc., aus Glukose, wieZuckerrohr, Rüben, etc.

Nicht Lebensmittelbasierend: z.B. ausHolz, Nebenprodukte oder Abfälle aus der Land oder Holzwirtschaft, Stroh, organische Abfälle, Abwasser 

Nicht lebensmittelbasiert, bodenunabhängige Kulturen: aus Mikroorganismen, wie z.B.  Mikroalgen, Bakterien, Pilze“
(vgl. http://natureplast.eu/de/definition-von-biokunststoffen/herkunft-von-biokunststoffen/, 13.04.2019)

Zurzeit wird viel bezüglich Bio-Kunststoff vermehrt experimentiert und geforscht und nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten. So experimentiert man z.B. mit „Flüssig-Holz“, Disteln und Algen.

Das meiste Bio-Plastik wird aus Stärke (wie z.B. Mais, Kartoffeln) hergestellt, wie z.B. Tüten. Die nachwachsenden Rohstoffe für Bio-Plastik stammen i.d.R. aus konventionellem und nicht ökologischem Anbau. Gesetzliche Vorgaben und die verschiedenen Ansprüche und Einsatzzwecke des Bio-Plastiks (wie z.B. schwere Entflammbarkeit, Haltbarkeit, Reißfestigkeit, Wasserbeständigkeit etc.) führen dazu, dass die Hersteller aber auch chemische Zusatzstoffe (wie Weichmacher, Farbstoffe, sonstige Additive) einsetzen. Auch wird teilweise sogar in geringen Mengen konventioneller Plastik beigemischt, um z.B. mehr Wasserbeständigkeit zu erreichen (dies hat mir auf Nachfrage  ein bekannter ökologischer Teeversand sogar eingestanden). Da diese Zusatzstoffe nicht deklariert sind (und vom Gesetzgeber noch nicht vorgeschrieben ist), kann man dies auch nicht erkennen. 

Der weltweite Anteil des Bio-Kunststoff ist in Bezug auf den herkömmlichen (fossilen) Kunststoff noch sehr gering, und liegt zurzeit noch unter 1 %. Da der Rohstoff Erdöl aber zur Neige geht, wird die Produktion von Bio-Kunststoff in den nächsten Jahren noch stark zunehmen. Nicht nur die Lebensmittelbranche, sondern z.B. auch die Auto-, Kleidungs- und Spielzeughersteller verwenden zunehmend Bio-Kunststoff. Es wird in dieser Hinsicht viel geforscht und nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten. 

grüner Bioplastiklöffel im Kompost
Foto: JK

Argumente für Bio-Plastik

– die nachwachsenden Rohstoffe für Bio-Plastik sind eine Möglichkeit, die knapper werdenden fossilen Rohstoffe  Erdöl, Erdgas und Kohle zu ersetzen 

– nur für sich gesehen – ohne Anbau und Herstellung – setzt Bio Plastik z.B. bei der Verbrennung weniger CO2 frei. Der hohe Brennwert von (Bio)-Kunststoffen macht ihn zu einem idealen Ersatzbrennstoff für Kohle und Heizöl. Somit lässt sich aus Biokunststoffen erneuerbare Energie gewinnen und es wird im Gegensatz zur Verbrennung von fossilen Kunststoffen kein zusätzliches, klimaschädliches Kohlendioxid produziert

Argumente gegen Bio-Plastik

Kompostierung: Oft wird zu Unrecht mit der 100% Kompostierbarkeit von Bio-Plastik geworben, womit eine Art „Greenwashing“ betrieben wird. In der Praxis sieht es aber oft ganz anders aus. Gemäß der europäischen Richtlinie/ Norm „DIN EN 13432“ muss ein kompostierbares Material – also auch Bio-Plastik –  innerhalb von 6 Monaten zu 90% abgebaut sein, ohne umweltschädliche Reststoffe zu hinterlassen. (nähere Info siehe: https://biobagworld.com/de/umwelt/biologisch-abbaubar-und-kompostierbar/  , 13.04.2019) n den meisten heutigen kommunalen Kompostieranlagen sind Bio-Plastik aber  „Störstoffe“, denn das Kompostieren ist wesentlich kürzer, nur ca. 4-6 Wochen, zu kurz für kompostierbaren Bio-Plastik. Daher ist in den meisten Kommunen auch die Entsorgung von Bio-Plastik in der Bio-Tonne untersagt (Anmerkung: dies gilt auch für den Kreis Pinneberg). Will man sein Bio-Plastik im privaten Garten kompostieren, sind aber oft die entsprechenden Bedingungen (Feuchtigkeit, Wärme) nicht erfüllt und die Zersetzung ist nur mangelhaft.
(Zitat) “Die Kompostierung hat ein großes Ziel, nämlich den Aufbau von Bodensubstraten”, verdeutlicht Thomas Fischer als DUH-Experte für Kreislaufwirtschaft. Biokunststoffe sind als Kompostgeber etwa für die Landwirtschaft vollkommen nutzlos. Sie enthalten keinerlei Werte, die dem Kompost dienen.”  (vgl. https://edison.handelsblatt.com/erklaeren/bioplastik-umweltschonend-oder-greenwashing/23202332.html, 13.04.2019)

– Recycling: für Biokunststoff gibt es keine gesetzliche Rücknahme- und Verwertungspflicht. Es werden von den Herstellern auch keine „Gebühren für das Duale System“ entrichtet. Darum dürfen Erzeugnisse aus Biokunststoff eigentlich  nicht in die gelbe Tonne/ gelben Sack. Weil man aber nicht immer unterscheiden kann, was nun Bio-Plastik und konventioneller Plastik ist,  landet Bio-Plastik trotzdem im gelben Sack, und dann letztendlich in der Verbrennungsanlage.
Gelangt Bio-Plastik in die Umwelt, wie z.B. ins Meer, wird es – ähnlich wie konventionelles Plastik – sich nur langsam abbauen und sich kleinteilig zersetzen.  

– Anbau/ Herstellung: Um nachwachsende Rohstoffe für Bioplastik, wie z.B. Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr anzubauen, braucht man auch Erdöl, (z.B. als Treibstoff für die Traktoren und Lastwagen für den Transport). Für den Anbau werden i.d.R. auch Dünger und Pestizide auf die Felder ausgebracht – mit den üblichen Nebenwirkungen, wie etwa zu viel Nitrat im Grundwasser. Nicht selten werden auch gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt. In der Herstellung werden auch viel Wasser und  chemische Zusatzstoffe verwendet. Sollte die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen sich in Zukunft erhöhen, kann dies auch negative Folgen für die schon eher knappen Flächen für den Lebensmittel-Anbau haben. Lebensmittelanbau sollte aber Vorrang vor Bio-Plastik haben.
(Zitat)  „Die Erzeugung großer Mengen Bioplastik verändert die Landnutzung“, erklärt Dr. Neus Escobar vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn. „Global gesehen könnten dadurch zum Beispiel vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt werden. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr, schon allein aufgrund ihrer größeren Biomasse.“ Dass dieser Effekt keine theoretische Spekulation ist, zeigen die Erfahrungen mit Biokraftstoffen. Die steigende Nachfrage nach der „grünen“ Energiequelle hatte in manchen Ländern massive Waldrodungen zur Folge.“ (vgl. https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018, 13.04.2019) 

Es wird behauptet, Bio-Plastik Spielzeug ist nicht so belastet wie konventionelles Spielzeug. Dies scheint sich in der Realität nicht zu bewahrheiten: (Zitat) „Bioplastik-Spielzeug ist tatsächlich ein Trend. Lego zum Beispiel will bis zum Jahr 2030 kein Erdöl mehr für seine Klötzchen verwenden, sondern nachwachsende Rohstoffe. Klingt erst einmal gut, wenn auf dem Spielzeug irgendwas von “umweltfreundlich” steht. Aber selbst wenn die Rohstoffe nachhaltig erzeugt sein sollten: Um Bioplastik widerstandsfähig und flexibel zu machen, sind die gleichen chemischen Zusätze nötig wie bei Plastik aus Erdöl. Und wie gefährlich diese Zusätze sind, das hat noch niemand erforscht.“
(vgl. https://www.sueddeutsche.de/stil/oeko-ratgeber-wann-ist-es-zeit-fuer-einen-neuen-kuehlschrank-1.3625229, 13.04.2019)

Verbundwertstoffe: immer öfter findet man Verpackungen, die aus einer Mischung von Plastik und Papier (Pappe) bestehen. Im günstigsten Fall kann man das Plastik vom Papier trennen, aber oft ist dies nicht möglich. Diese sogenannten Verbundwertstoffe lassen sich dann nur mit sehr aufwendigen und energieaufwendigen Verfahren wieder trennen. Da nicht alle Kommunen die Technik dafür haben, werden diese Verbundstoffe ins Ausland transportiert oder sie werden einfach verbrannt. 

Fazit

Das Bio-Plastik ist vollmundig zu Unrecht als eine umweltfreundliche  Variante von vielen Herstellern präsentiert worden.  Ökobilanzen belegen nämlich, dass biobasierte und abbaubare Bio Kunststoffe in der Gesamtheit keine Umweltvorteile gegenüber herkömmlichen Plastikprodukten aufweisen. Im Gegenteil, schneiden in der Ökobilanz teilweise die recycelbaren herkömmlichen Kunststoffe sogar besser ab, weil sie öfter verwendet werden.  

Aus meiner Sicht kann Bio-Plastik erst dann eine wirkliche umweltfreundliche Alternative zum herkömmlichen Plastik sein, wenn:

–  Bio-Kunststoff umweltfreundlich (zumindest nur so minimal wie möglich), ohne chemische (und damit umweltschädliche) Zusatzstoffe, hergestellt und die Kompostierbarkeit verbessert  wird, so dass sie für die kommunalen Kompostier-Anlagen, aber auch den Komposthaufen im Garten geeignet sind
–  die notwendigen Rohstoffe (wie z.B. Mais, Kartoffeln etc.) für Bio-Kunststoff nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelwirtschaft stehen, sondern stattdessen vermehrt  pflanzliche Abfälle und Reststoffe, wie z.B. Holzabfälle, Strohstängel, spezielle Lebensmittelabfälle etc. verwendet werden, die man nicht extra anbauen muss. Die Forschung in neue umweltfreundliche Rohstoffe (wie z.B. Algen) sollte staatlich gefördert werden.
– ein funktionierendes Recycling-System aufgebaut wird (ähnlich wie die gelbe Wertstoff-Tonne für herkömmlichen Kunststoff), damit aus dem Einweg Plastik ein wiederverwertbarer Mehrweg-Rohstoff wird. Begünstigend könnte hierbei der Tatbestand sein, dass seit März 2019 ein neues Verpackungsgesetz in Kraft getreten ist, welches die Kommunen dazu verpflichtet, die Recyclingquote für Kunststoff von bisher 35 % auf 63 % zu erhöhen. Allerdings bezweifle ich bei der derzeitigen noch geringen Menge an Bio-Plastik, dass die Kommunen dies finanzieren können (wollen). 

– die Hersteller von Bio-Plastik, aber auch Hersteller von herkömmlichem Plastik, sollten per Gesetz dazu verpflichtet werden, alle Inhaltsstoffe anzugeben. Auch die Dauer der Kompostierbarkeit sollte angegeben werden.  


Ob herkömmliches Plastik oder Bio-Plastik, die beste Alternative ist immer noch: Verpackungen zu vermeiden! 

Autor: RM, WG Faktencheck, Foto: JK

Quellen:

  • Carmen e.V., www.carmen-ev.de, Netzwerk für Nachwachsende Rohstoffe
  • Nautureplast, www.natureplast.eu, Beratungsunternehmen
  • Studie der Universität Bonn: Escobar, Haded, Börnder, Britz: Land use mediated GHG emissions and spillovers from increased consumption of bioplastic, 2018
  • Handelsblatt: Jost, Bioplastik: Umweltschonend oder Greenwashing?, 2018
  • Süddeutsche Zeitung: Widmann, Wann ist es Zeit für einen neuen Kühlschrank?, 2017