Das Problem mit dem Perfektionismus

“Wenn du was machst, dann mach es richtig.”

“Allein wirst du die Welt auch nicht retten können.”

“Das Handeln des Einzelnen hat doch eh keine Auswirkungen. Da muss die Politik was ändern.”

Jeder, der sich mit dem Klimawandel, Umweltschutz oder ökologischer Lebensweise auseinander setzt, hat sicherlich einen, wenn nicht alle dieser Sprüche in irgendeiner Weise gehört. Ich auch. Teilweise hintereinander weg. Und dann? Dann kommst Du geknickt nach Hause, willst Dich nur noch unter der Decke verstecken und morgen nicht mehr aufstehen. Bringt ja eh alles nichts…

… aber das ist falsch! Stell Dir vor was wäre, wenn tausende, Millionen Menschen so denken würden wie Du – sei es, dass sie jetzt vegan(er) essen, nicht mehr fliegen, ihr Auto verkaufen, nur noch bio und fairtrade einkaufen möchten. Und jeder sagt ihnen: “Das bringt doch eh nichts!”. Und keiner von ihnen glaubt es. Auf einmal ist es nicht mehr der Einzelne, der handelt und versucht die Welt zu retten – sondern tausende. Tausende Autos weniger, tausende Fluggäste weniger, tausend Veganer (oder Vegetarier) mehr, die jetzt anderen davon erzählen können, dass das alles eigentlich gar nicht so kompliziert ist.

Aber wie ist die Reaktion der anderen? Nicht selten ein: “Gut, Du ernährst Dich jetzt vegan, aber vor Deiner Tür steht immer noch ein Auto.” Und schon wird aus dem Hochgefühl, mit dem Du von Deinen ersten zwei Monaten ohne Salami (die nicht so schwierig waren wie gedacht), ein schlechtes Gewissen, weil Du doch nicht genug tust.

Aber es ist genug. Gut, vielleicht ist es nicht perfekt, aber wer braucht schon perfekt? Wenn wir in allem, was wir tun, nach Perfektionismus streben würden, würden wir dann überhaupt jemals fertig? Natürlich muss doch eine gewisse Prise Motivation hinter Deinen Handlungen stehen, aber was ist schon perfekt? Wer entscheidet, wann was perfekt ist?

Niemand braucht perfekt, auch, wenn manche Berichte, Menschen oder soziale Netzwerke uns das gerne glauben machen wollen. Dazu gibt es die passende Aussage zum Thema Zero Waste: “Wir brauchen nicht einen, der Zero Waste perfektioniert hat. Wir brauchen viele, die Zero Waste unperfekt umsetzen!” Diese Aussage lässt sich meiner Meinung nach auf alle anderen Bereiche, die irgendwie mit nachhaltiger und ökologischer Lebensweise zusammenhängen übertragen. Denn dadurch erreichen wir in Summe viel mehr: viel weniger Müll, viel mehr Menschen, die darüber reden, viel mehr Menschen, die einen Weg “So kann es gehen” vor die Nase gesetzt bekommen.

Du möchtest Dich vegan ernähren, kannst aber auf den Käse auf der Pizza ab und an nicht verzichten? Dann tu es nicht. Achte darauf, was Du isst, aber wenn Du mal “sündigst”, gib nicht auf. Es ist mehr als andere tun.

Du fährst jeden Tag alles mit dem Fahrrad und Bus und Bahn, aber wenn das Wetter wieder fürchterlich norddeutsch ist, nimmst Du doch das Auto zum Einkaufen? Na und? Dann ist das halt einmal so. Frag vielleicht Deine Nachbarn, ob Du sie mitnehmen oder ihnen etwas mitbringen sollst. Dann lohnt sich das zumindest.

Du kaufst immer im Unverpackt-Laden oder auf dem Markt, aber gerade bist Du so müde, dass Du für morgen einfach nicht vorkochen magst? Auch, wenn das bedeutet, dass Du vielleicht Essen bestellen oder Dir etwas TO-GO mitnehmen musst? So ist das halt. In einigen Imbissen kannst Du mittlerweile Deine eigenen Behälter mitbringen – oder Du setzt Dich halt in das entsprechende Restaurant und isst da. Es gibt auch viele Möglichkeiten, wie Du Dir mittags in weniger als 10 Minuten ein leckeres, gesundes und Abfallsparendes Mittagessen zaubern kannst.

“Einfach mal anfangen” ist das Motto von Wedel im Wandel und das sollte einfach jeder mal ausprobieren. Denn sobald Du mit irgendetwas angefangen hast und merkst, wie einfach es ist oder auch dass es für Dich gerade nicht passt, kannst Du einfacher nach neuen Möglichkeiten suchen. Die eine Sache hast Du ja ausprobiert, wirst sie beibehalten oder eben nicht. Stück für Stück wächst Du in Dein nachhaltiges, ökologisches Leben und irgendwann wirst Du einen Stand erreicht haben, mit dem Du zufrieden bist. Denn das ist trotz Weltretter-Ambitionen das Wichtigste.

Lass Dich nicht unterkriegen von all denen, die sich nicht trauen anzufangen, und nicht verunsichern von all denen, die ihr Leben scheinbar schon perfektioniert haben. Irgendwann wirst Du einer Person begegnen, die sich freut, dass Du genauso handelst wie sie – oder die Du vielleicht sogar inspirieren kannst einfach mal anzufangen.

Text: JG