Wie nachhaltig ist Bio-Plastik?

grüner Bioplastiklöffel im Kompost

Allgemein

„Die Ursprünge von  Bio-Kunststoff gehen weit zurück: schon ab dem 17. Jahrhundert begannen Naturforscher damit, Biopolymere (z.B. Kautschuk, Leinöl oder Zellulose) chemisch zu modifizieren, um neuartige Eigenschaften zu erreichen. Die dabei entwickelten ersten Kunststoffe wie Gummi, Linoleum oder Celluloid, werden auch als halb-synthetische Kunststoffe bezeichnet und gehören aufgrund ihrer biogenen Rohstoffbasis zu den ersten Biokunststoffen“ (vgl. https://www.carmen-ev.de/stoffliche-nutzung/biokunststoffe/herstellung/2245-herstellungsverfahren, 13.04.2019)

Das heutige BIO-Plastik  wird aus nachwachsenden Rohstoffen angefertigt, daher auch „bio-basierender“ Plastik genannt.  Aber nur ca. 30 % des „bio-basierenden“ Plastiks ist  auch gleichzeitig kompostierbar (die Kompostierbarkeit hängt von der chemischen Struktur des Bio-Plastik ab). Die Kompostierbarkeit ist übrigens nicht nur auf Bioplastik begrenzt, sondern es gibt auch kompostierbares konventionelles Plastik aus fossilen Rohstoffen (Erdöl). 

 Es gibt verschiedene Ausgangsstoffe  für die Herstellung für Bio-Plastik:

Lebensmittelbasierend: aus Pflanzenölen, wie Soja, Palm, Sonnenblumen, Rizinus, Rapsöl,
aus Stärke, wieMais, Weizen, Kartoffeln, Tapioka, etc., aus Glukose, wieZuckerrohr, Rüben, etc.

Nicht Lebensmittelbasierend: z.B. ausHolz, Nebenprodukte oder Abfälle aus der Land oder Holzwirtschaft, Stroh, organische Abfälle, Abwasser 

Nicht lebensmittelbasiert, bodenunabhängige Kulturen: aus Mikroorganismen, wie z.B.  Mikroalgen, Bakterien, Pilze“
(vgl. http://natureplast.eu/de/definition-von-biokunststoffen/herkunft-von-biokunststoffen/, 13.04.2019)

Zurzeit wird viel bezüglich Bio-Kunststoff vermehrt experimentiert und geforscht und nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten. So experimentiert man z.B. mit „Flüssig-Holz“, Disteln und Algen.

Das meiste Bio-Plastik wird aus Stärke (wie z.B. Mais, Kartoffeln) hergestellt, wie z.B. Tüten. Die nachwachsenden Rohstoffe für Bio-Plastik stammen i.d.R. aus konventionellem und nicht ökologischem Anbau. Gesetzliche Vorgaben und die verschiedenen Ansprüche und Einsatzzwecke des Bio-Plastiks (wie z.B. schwere Entflammbarkeit, Haltbarkeit, Reißfestigkeit, Wasserbeständigkeit etc.) führen dazu, dass die Hersteller aber auch chemische Zusatzstoffe (wie Weichmacher, Farbstoffe, sonstige Additive) einsetzen. Auch wird teilweise sogar in geringen Mengen konventioneller Plastik beigemischt, um z.B. mehr Wasserbeständigkeit zu erreichen (dies hat mir auf Nachfrage  ein bekannter ökologischer Teeversand sogar eingestanden). Da diese Zusatzstoffe nicht deklariert sind (und vom Gesetzgeber noch nicht vorgeschrieben ist), kann man dies auch nicht erkennen. 

Der weltweite Anteil des Bio-Kunststoff ist in Bezug auf den herkömmlichen (fossilen) Kunststoff noch sehr gering, und liegt zurzeit noch unter 1 %. Da der Rohstoff Erdöl aber zur Neige geht, wird die Produktion von Bio-Kunststoff in den nächsten Jahren noch stark zunehmen. Nicht nur die Lebensmittelbranche, sondern z.B. auch die Auto-, Kleidungs- und Spielzeughersteller verwenden zunehmend Bio-Kunststoff. Es wird in dieser Hinsicht viel geforscht und nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten. 

grüner Bioplastiklöffel im Kompost
Foto: JK

Argumente für Bio-Plastik

– die nachwachsenden Rohstoffe für Bio-Plastik sind eine Möglichkeit, die knapper werdenden fossilen Rohstoffe  Erdöl, Erdgas und Kohle zu ersetzen 

– nur für sich gesehen – ohne Anbau und Herstellung – setzt Bio Plastik z.B. bei der Verbrennung weniger CO2 frei. Der hohe Brennwert von (Bio)-Kunststoffen macht ihn zu einem idealen Ersatzbrennstoff für Kohle und Heizöl. Somit lässt sich aus Biokunststoffen erneuerbare Energie gewinnen und es wird im Gegensatz zur Verbrennung von fossilen Kunststoffen kein zusätzliches, klimaschädliches Kohlendioxid produziert

Argumente gegen Bio-Plastik

Kompostierung: Oft wird zu Unrecht mit der 100% Kompostierbarkeit von Bio-Plastik geworben, womit eine Art „Greenwashing“ betrieben wird. In der Praxis sieht es aber oft ganz anders aus. Gemäß der europäischen Richtlinie/ Norm „DIN EN 13432“ muss ein kompostierbares Material – also auch Bio-Plastik –  innerhalb von 6 Monaten zu 90% abgebaut sein, ohne umweltschädliche Reststoffe zu hinterlassen. (nähere Info siehe: https://biobagworld.com/de/umwelt/biologisch-abbaubar-und-kompostierbar/  , 13.04.2019) n den meisten heutigen kommunalen Kompostieranlagen sind Bio-Plastik aber  „Störstoffe“, denn das Kompostieren ist wesentlich kürzer, nur ca. 4-6 Wochen, zu kurz für kompostierbaren Bio-Plastik. Daher ist in den meisten Kommunen auch die Entsorgung von Bio-Plastik in der Bio-Tonne untersagt (Anmerkung: dies gilt auch für den Kreis Pinneberg). Will man sein Bio-Plastik im privaten Garten kompostieren, sind aber oft die entsprechenden Bedingungen (Feuchtigkeit, Wärme) nicht erfüllt und die Zersetzung ist nur mangelhaft.
(Zitat) „Die Kompostierung hat ein großes Ziel, nämlich den Aufbau von Bodensubstraten“, verdeutlicht Thomas Fischer als DUH-Experte für Kreislaufwirtschaft. Biokunststoffe sind als Kompostgeber etwa für die Landwirtschaft vollkommen nutzlos. Sie enthalten keinerlei Werte, die dem Kompost dienen.“  (vgl. https://edison.handelsblatt.com/erklaeren/bioplastik-umweltschonend-oder-greenwashing/23202332.html, 13.04.2019)

– Recycling: für Biokunststoff gibt es keine gesetzliche Rücknahme- und Verwertungspflicht. Es werden von den Herstellern auch keine „Gebühren für das Duale System“ entrichtet. Darum dürfen Erzeugnisse aus Biokunststoff eigentlich  nicht in die gelbe Tonne/ gelben Sack. Weil man aber nicht immer unterscheiden kann, was nun Bio-Plastik und konventioneller Plastik ist,  landet Bio-Plastik trotzdem im gelben Sack, und dann letztendlich in der Verbrennungsanlage.
Gelangt Bio-Plastik in die Umwelt, wie z.B. ins Meer, wird es – ähnlich wie konventionelles Plastik – sich nur langsam abbauen und sich kleinteilig zersetzen.  

– Anbau/ Herstellung: Um nachwachsende Rohstoffe für Bioplastik, wie z.B. Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr anzubauen, braucht man auch Erdöl, (z.B. als Treibstoff für die Traktoren und Lastwagen für den Transport). Für den Anbau werden i.d.R. auch Dünger und Pestizide auf die Felder ausgebracht – mit den üblichen Nebenwirkungen, wie etwa zu viel Nitrat im Grundwasser. Nicht selten werden auch gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt. In der Herstellung werden auch viel Wasser und  chemische Zusatzstoffe verwendet. Sollte die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen sich in Zukunft erhöhen, kann dies auch negative Folgen für die schon eher knappen Flächen für den Lebensmittel-Anbau haben. Lebensmittelanbau sollte aber Vorrang vor Bio-Plastik haben.
(Zitat)  „Die Erzeugung großer Mengen Bioplastik verändert die Landnutzung“, erklärt Dr. Neus Escobar vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn. „Global gesehen könnten dadurch zum Beispiel vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt werden. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr, schon allein aufgrund ihrer größeren Biomasse.“ Dass dieser Effekt keine theoretische Spekulation ist, zeigen die Erfahrungen mit Biokraftstoffen. Die steigende Nachfrage nach der „grünen“ Energiequelle hatte in manchen Ländern massive Waldrodungen zur Folge.“ (vgl. https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018, 13.04.2019) 

Es wird behauptet, Bio-Plastik Spielzeug ist nicht so belastet wie konventionelles Spielzeug. Dies scheint sich in der Realität nicht zu bewahrheiten: (Zitat) „Bioplastik-Spielzeug ist tatsächlich ein Trend. Lego zum Beispiel will bis zum Jahr 2030 kein Erdöl mehr für seine Klötzchen verwenden, sondern nachwachsende Rohstoffe. Klingt erst einmal gut, wenn auf dem Spielzeug irgendwas von „umweltfreundlich“ steht. Aber selbst wenn die Rohstoffe nachhaltig erzeugt sein sollten: Um Bioplastik widerstandsfähig und flexibel zu machen, sind die gleichen chemischen Zusätze nötig wie bei Plastik aus Erdöl. Und wie gefährlich diese Zusätze sind, das hat noch niemand erforscht.“
(vgl. https://www.sueddeutsche.de/stil/oeko-ratgeber-wann-ist-es-zeit-fuer-einen-neuen-kuehlschrank-1.3625229, 13.04.2019)

Verbundwertstoffe: immer öfter findet man Verpackungen, die aus einer Mischung von Plastik und Papier (Pappe) bestehen. Im günstigsten Fall kann man das Plastik vom Papier trennen, aber oft ist dies nicht möglich. Diese sogenannten Verbundwertstoffe lassen sich dann nur mit sehr aufwendigen und energieaufwendigen Verfahren wieder trennen. Da nicht alle Kommunen die Technik dafür haben, werden diese Verbundstoffe ins Ausland transportiert oder sie werden einfach verbrannt. 

Fazit

Das Bio-Plastik ist vollmundig zu Unrecht als eine umweltfreundliche  Variante von vielen Herstellern präsentiert worden.  Ökobilanzen belegen nämlich, dass biobasierte und abbaubare Bio Kunststoffe in der Gesamtheit keine Umweltvorteile gegenüber herkömmlichen Plastikprodukten aufweisen. Im Gegenteil, schneiden in der Ökobilanz teilweise die recycelbaren herkömmlichen Kunststoffe sogar besser ab, weil sie öfter verwendet werden.  

Aus meiner Sicht kann Bio-Plastik erst dann eine wirkliche umweltfreundliche Alternative zum herkömmlichen Plastik sein, wenn:

–  Bio-Kunststoff umweltfreundlich (zumindest nur so minimal wie möglich), ohne chemische (und damit umweltschädliche) Zusatzstoffe, hergestellt und die Kompostierbarkeit verbessert  wird, so dass sie für die kommunalen Kompostier-Anlagen, aber auch den Komposthaufen im Garten geeignet sind
–  die notwendigen Rohstoffe (wie z.B. Mais, Kartoffeln etc.) für Bio-Kunststoff nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelwirtschaft stehen, sondern stattdessen vermehrt  pflanzliche Abfälle und Reststoffe, wie z.B. Holzabfälle, Strohstängel, spezielle Lebensmittelabfälle etc. verwendet werden, die man nicht extra anbauen muss. Die Forschung in neue umweltfreundliche Rohstoffe (wie z.B. Algen) sollte staatlich gefördert werden.
– ein funktionierendes Recycling-System aufgebaut wird (ähnlich wie die gelbe Wertstoff-Tonne für herkömmlichen Kunststoff), damit aus dem Einweg Plastik ein wiederverwertbarer Mehrweg-Rohstoff wird. Begünstigend könnte hierbei der Tatbestand sein, dass seit März 2019 ein neues Verpackungsgesetz in Kraft getreten ist, welches die Kommunen dazu verpflichtet, die Recyclingquote für Kunststoff von bisher 35 % auf 63 % zu erhöhen. Allerdings bezweifle ich bei der derzeitigen noch geringen Menge an Bio-Plastik, dass die Kommunen dies finanzieren können (wollen). 

– die Hersteller von Bio-Plastik, aber auch Hersteller von herkömmlichem Plastik, sollten per Gesetz dazu verpflichtet werden, alle Inhaltsstoffe anzugeben. Auch die Dauer der Kompostierbarkeit sollte angegeben werden.  


Ob herkömmliches Plastik oder Bio-Plastik, die beste Alternative ist immer noch: Verpackungen zu vermeiden! 

Autor: RM, WG Faktencheck, Foto: JK

Quellen:

  • Carmen e.V., www.carmen-ev.de, Netzwerk für Nachwachsende Rohstoffe
  • Nautureplast, www.natureplast.eu, Beratungsunternehmen
  • Studie der Universität Bonn: Escobar, Haded, Börnder, Britz: Land use mediated GHG emissions and spillovers from increased consumption of bioplastic, 2018
  • Handelsblatt: Jost, Bioplastik: Umweltschonend oder Greenwashing?, 2018
  • Süddeutsche Zeitung: Widmann, Wann ist es Zeit für einen neuen Kühlschrank?, 2017

Die Merkmale einer “Reifen Zivilgesellschaft”

Menschen am Strand

Die sanfte Revolution von unten


© von Ralf Manthey

Die Definition und Ursprünge einer reifen Zivilgesellschaft

Bevor ich näher auf die Merkmale einer „reifen Zivilgesellschaft“ eingehen werde, möchte ich zunächst den Begriff „Zivilgesellschaft“ kurz näher definieren. Im Internet-Duden findet man folgende Definition: „die Zivilgesellschaft ist eine Gesellschaftsform, die durch selbstständige, politisch und sozial engagierte Bürger(innen) geprägt ist“. Und in Wikipedia findet man die Aussage: „….allgemein wird unter dem Begriff „Zivilgesellschaft“ meist der Teil der Gesellschaft verstanden, der nicht durch den Staat und seine Organe (Behörden, Verwaltungen) gesteuert und organisiert wird“. Beide Definitionen stellen für mich die wesentlichen Merkmale  einer „reifen Zivilgesellschaft“ dar. 

In den vielen zurückliegenden Jahrhunderten haben die Menschen immer wieder versucht, sich von Unterdrückung und sozialer Ungerechtigkeit  zu befreien und eine humanere, freiere und sozial (und wirtschaftlich) gerechtere Gesellschaft aufzubauen, mit mehr oder weniger mäßigen Erfolg.  Bereits in der Antike im 5. Jahrhundert vor Christi gab es die ersten Ansätze einer freieren und gerechteren Gesellschaftsform in Griechenland: die Demokratie (Volksherrschaft).  Im Christentum gab es von den zunächst noch wenigen Anhängern die Bestrebungen sozial gerechtere und ethisch fundierte (kleine) Gemeinschaften (bzw. Gemeinden) aufzubauen, basierend auf den 10 Geboten und den Kernaussagen der „Bergpredigt“  (s. Neues Testament). Die Französische Revolution (ca. 1789 – 99) mit ihren bekannten Idealen „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ übte den  folgenreichsten Einfluss auf die europäischen Gesellschaften aus.  Neben den sozialen und politischen Veränderungen, wurden auch zunehmend die religiös-kirchlichen Strukturen- und Machtverhältnisse in Frage gestellt und durch Reformen verändert (s. Reformation). Diese Entwicklung mündete letztendlich in den Ende des 19. Jahrhunderts  aufkommenden sozialistischen und kommunistischen Ideologien und Bewegungen. Der Sozialismus und der Kommunismus basiert aber letztendlich von seinen Grundideen auch auf den urchristlichen Idealen. Auch wenn der Kommunismus durch die Gewaltherrschaften von  Stalin und Mao Tse Tung in krasser Form pervertiert wurden, hatten die theoretischen Wegbereiter dieser Revolutionen grundsätzlich gute Absichten. 

Aber es war und ist der falsche Weg, wenn man bestimmte Ideale den Menschen – ohne gleichzeitigen inneren Reifungsprozess und ohne Freiwilligkeit – auf autoritäre Weise von außen überstülpt.  Dies erklärt, warum sich in diesen revolutionären Systemen, wie z.B. dem Kommunismus, die eigentlich zu einer Befreiung führen sollten,  nach einer gewissen Zeit die gleichen Macht- und Unterdrückungsstrukturen und den damit verbunden Abhängigkeiten, wenn auch mit anderen Vorzeichen, wieder installiert  haben. Somit ist es nicht verwunderlich, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,  trotz aller Befreiungsbewegungen und Fortschritte, nur ein geringer Teil der westlichen Gesellschaften (i.d.R. waren es die Intellektuellen und Künstler)  eine gewisse geistige Reife aufwies, während ein Großteil der Bevölkerung unreif, unselbständig, angepasst, obrigkeitshörig und abhängig blieb. Besonders das  passive und obrigkeitshörige Verhalten vieler Bürger in Deutschland hat  dazu geführt, dass im  20. Jahrhundert  eine Nazi Diktatur überhaupt  an die Macht kommen konnte, mit den bekannten negativen Folgen.

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegen  Ende der 60er Jahre (siehe “68er Generation”) konnte sich besonders in den westlichen Ländern in größerer  Zahl ein selbstbewusster, unabhängiger und reiferer Menschentypus herausbilden. Die Vertreter dieses Menschentypus  bilden die sogenannte  „Reife Zivilgesellschaft“.  Vertreter der reifen Zivilgesellschaft findet man inzwischen (im Jahre 2018) in allen Gesellschaftsschichten (vermehrt aber in der gebildeten Mittelschicht) und sie haben einen zunehmenden stärkeren Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen.

Der  amerikanische Soziologe „Paul H. Ray“  hat diesen Menschentypus  als die „Kultur-Kreativen“ bezeichnet. Zusammen mit seiner Frau, der Psychologin Ruth Anderson, hat Paul H. Ray Anfang der 90er Jahre  13 Jahre lang (durch Befragung von Bürgern) die Merkmale dieses Typus näher untersucht und die Ergebnisse in seinem Buch „Wie 50 Millionen Menschen die Welt verändern“ veröffentlicht (das Buch gibt es im Internet zurzeit nur in englischer Sprache). 

Wodurch zeichnet sich nun aber eine reife Zivilgesellschaft konkret aus?  

Die Mitglieder einer „Reifen Zivilgesellschaft“:

– geben sich nicht damit zufrieden, nur alle vier Jahre bei einer demokratischen Wahl ihre Stimme abzugeben, sondern sie wollen  aktiv das gesellschaftliche Leben mitgestalten. Da sie aber gern unabhängig bleiben, trifft man sie eher selten in Parteien und konventionellen Organisationen an. Sie sind aber weder weltfremde Außenseiter noch Einzelgänger, sondern sie arbeiten gern flexibel und vernetzt in Gruppen von Gleichgesinnten mit flachen Hierarchien. Sie gründen z.B. unabhängige Interessensgruppen, Bürgerinitiativen, Stadtteilgruppen, Wohn- und Lebensgemeinschaften, freie Kindergärten und Schulen etc.

– zeichnen sich durch ganzheitliche Sicht- und Lebensweisen aus und  bringen neue und unkonventionelle Ideen und Visionen zur Lösung gesellschaftlicher Missstände ein, engagieren sich sozial (z.B. durch Ehrenamt) und tragen damit zur Gestaltung einer humaneren Gesellschaft bei. Sie experimentieren mit gemeinschaftlichen Lebensformen (wie z.B. Wohnformen für  Behinderte und Nicht-Behinderten oder für mehrere Generationen unter einem Dach  etc.), die über das typische  traditionelle Kleinfamilien-Modell hinaus gehen. Sie bevorzugen eine gemeinschaftliche Lebensform, in der die individuellen Bedürfnisse und die Bedürfnisse der Gemeinschaft in Balance gebracht werden, unter Ausschließung von Gruppenzwang, Machtmissbrauch  und bloßer Unterordnung.

– wissen, dass wirklich tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen lange Zeit brauchen und nicht über Nacht und ohne eigene Anstrengung entstehen. Außerdem ist ihnen bewusst, dass die heutigen (äußeren) gesellschaftlichen Missstände oft auch ein Spiegel eigener (innerer) Missstände sind, und dass sie nur dauerhaft im Außen etwas verändern können, wenn sie auch die Ursachen für die Missstände in sich selbst klären und lösen. Durch kritisches Hinterfragen und Selbstreflektion setzen sie sich mit ihren eigenen Schatten und Schwächen auseinander und nehmen sie als menschliche Begrenzung an. Sie sind daher auch tolerant gegenüber den Fehlern und Unzulänglichkeiten ihrer Mitmenschen eingestellt.

– sind i.d.R. gut informiert über die globalen politischen, ökologischen und wirtschaftlichen Missstände.
Sie arbeiten gemeinsam mit anderen an der Lösung dieser Missstände. Anstatt aber ihre Kräfte im permanenten Kampf gegen das Negative aufzureiben (natürlich ohne sich für das Leid ihrer Mitmenschen und Umwelt zu verschließen), konzentrieren sie sich lieber auf realistische, konstruktive und positive Lösungsansätze.
– bevorzugen nachhaltig, umweltfreundlich und sozialverträglich produzierte Lebensmittel und Produkte. Auch praktizieren sie auf Grund der immer weniger werdenden Ressourcen einen gemäßigten Konsum, nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Sie wollen aber nicht nur passive Konsumenten sein, sondern in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld (Nachbarschaft, Gemeinde, Stadtteil etc.) eine nachhaltige und umweltfreundliche Lebenskultur aktiv mit gestalten. Z.B. legen sie eigene ökologische Gärten zur Selbstversorgung an (Gemeinschaftsgärten), unterstützen durch  Einkaufsgemeinschaften ökologische Bauern vor Ort, gründen Unverpacktläden, Tauschbörsen, Repair-Cafes, Nachbarschaftshilfen und Bürgerinitiativen u.v.m.

– lieben und wertschätzen ihre Heimat und ihre geographische Herkunft auf angemessene Weise (aber ohne nationalistische Anwandlungen), gleichzeitig empfinden sie sich aber auch als ein Teil der globalen Menschheitsfamilie und haben daher ein starkes Interesse, sich übergeordnet an der Lösung globaler Probleme zu beteiligen.

– versuchen eine Brücke zwischen Tradition und Moderne und der älteren und jüngeren Generation zu bauen. Sie betonen dabei mehr das Gemeinsame als das Unterschiedliche und bringen damit angeblich Unvereinbares zu einer Synthese 

– legen großen Wert auf soziale, humanistische und ethische Werte und Ideale, aber ohne sich einer bestimmten Ideologie, Partei oder religiösen Glaubensrichtung bzw. Kirche zugehörig zu fühlen. Diese Werte und Überzeugungen bringen sie ohne viel Aufhebens auf stille und doch sehr konkrete und pragmatische Weise zum Ausdruck. Sie wollen aber nicht ihre  Werte anderen aufdrängen, daher ist ihnen politischer oder religiöser Fanatismus oder Extremismus befremdlich. Sie fühlen sich in erster Linie ihrem Gewissen (Innere Stimme), ihren inneren Werten und ihrer Authentizität verpflichtet als sich äußeren gesellschaftlichen und religiösen Normen und Autoritäten unreflektiert unterzuordnen. D.h., sie lassen sich nicht von außen instrumentalisieren, denn sie sind gewohnt, selbstständig und unabhängig zu denken und zu handeln.

– wollen die geistige und irdische Dimension des Menschen in eine gesunde Balance bringen. Eine Religiösität, die sich durch Scheinheiligkeit, bloße Lippenbekenntnisse und übertriebener weltlicher Absonderung oder Elitedenken äußert, ist ihnen eher suspekt. Aber genauso stehen sie einer ausschließlichen materiellen Weltsicht skeptisch gegenüber. Vielmehr begreifen sie den Geist und die Materie als zwei Aspekte des menschlichen Lebens, die es gilt in eine gesunde und ausgewogene Balance zu bringen. Um beide Aspekte ausgewogen zu leben, ist es aber erforderlich, dass Phasen der inneren Besinnung und der äußeren Aktivität sich ablösen. Diese Lebensform ist aber oft schwer mit den Strukturen der immer noch industriell geprägten Arbeitswelt vereinbar, die auf permanente Gewinnmaximierung und Ausbeutung der menschlichen und natürlichen Ressourcen ausgerichtet ist

– sind dabei, die tradierten und einengenden Rollenmuster von Mann und Frau weiter zu verändern und setzen sich für die Gleichberechtigung und die Kooperation der Geschlechter ein. Eine Folge davon ist, dass die Frauen immer mehr verantwortliche und machtvolle Positionen in der Gesellschaft übernehmen. Sie sprechen aber nicht mehr von einem „Geschlechterkampf” (wie es in den Anfangszeiten des Feminismus der Fall war), denn sie wissen, dass trotz aller Unterschiede – die ja eher gering sind – der Mann und die Frau im Wesenskern gleich sind und für die Lösung der partnerschaftlichen und familiären Probleme zusammenarbeiten müssen.
Immer mehr Männer der neuen Generation verweigern die klassischen männlichen Karrierewege  und suchen sich berufliche Betätigungsfelder und Lebensentwürfe, die ihren wirklichen Talenten und Interessen entsprechen und ihnen ermöglichen, wieder mehr Zeit ihrer Familie und ihrem Privatleben zu widmen. Dabei übernehmen sie auch zunehmend Berufs- und Aufgabenfelder, die sonst eher den Frauen zugeordnet waren.

 
Die Zahl der Mitglieder einer „Reifen Zivilgesellschaft“ und damit ihr gesellschaftlicher Einfluss werden in den nächsten Jahren weltweit sicherlich noch ansteigen. Natürlich konnten sich die Merkmale einer reifen Zivilgesellschaft in demokratischen Ländern besser und ungehinderter entfalten als in autoritär geprägten Ländern. Aber zunehmend wirkt sich ihr Einfluss seit dem 21. Jahrhundert auch in den bisher noch autoritär regierten Ländern aus (siehe „Arabischer Frühling“).  In diesen Ländern wächst eine neue Generation heran, die auf Grund der besseren Informationen (siehe Internet) viel aufgeklärter und selbstbewusster ist und sich immer schwerer unterdrücken und manipulieren lässt.
Ich möchte aber an dieser Stelle betonen, dass in den meisten westlichen und industriell geprägten Demokratien zwar oberflächlich gesehen eine relative  Freiheit,  Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit herrscht, aber bei näherer Betrachtung die sogenannte Mitbestimmung des Volkes durch den zunehmenden Einfluss der Lobbyisten von großen Wirtschaftskonzernen und der Finanzwelt immer mehr eingeschränkt wird, mit den negativen Auswirkungen auf  Umwelt und Mensch. So sind z.B. Lobbyisten immer mehr an den inhaltlichen Formulierungen von Gesetzen beteiligt. Durch angeblich erleichternde Freihandelsabkommen, die aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit verfasst werden, werden immer mehr soziale, ökologische Standards und demokratische und juristische Rechte unterlaufen. Es sieht immer mehr so aus, dass von den Regierungen und den Parteien dieser Staaten, keine gravierenden Veränderungen mehr zu erwarten sind,  zu tief sind die negativen Verstrickungen mit der mächtigen globalen Wirtschaft und Finanzwelt, zu tief sind die regierenden Politiker und Entscheidungsträger – mit wenigen Ausnahmen –  in alten überholten Parametern verhaftet.
Die wirklich dringend notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen werden somit wohl kaum von „oben“ kommen, sondern vielmehr von „unten“, von der gesellschaftlichen Basis aus eingeleitet, zu der die derzeitigen Regierungsvertreter zunehmend den Kontakt verlieren. In dieser Hinsicht wird die wachsende “Reife Zivilgesellschaft” zunehmend eine immer wichtigere und entscheidende Rolle spielen.
 

“Meiner Meinung nach müssen alle Menschen ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit einer weltumspannenden Verantwortung entwickeln, wenn wir die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts meistern wollen. Jeder von uns muss lernen, nicht nur für sich, seine Familie oder seinen Staat, sondern das Wohl der gesamten Menschheit zu arbeiten und zu sorgen. Es ist heutzutage überholt, in Begriffen von “Mein Volk” oder “Mein Land” zu denken. Verantwortung für die ganze Welt ist der Schlüssel für das Überleben der Menschen auf diesem Planeten. Große, weitreichende Entwicklungen beginnen meist mit einzelnen kleinen Initiativen, so dass es also die Arbeit eines jeden Einzelnen ist, die letztendlich den Ausschlag gibt.”

(Dalai Lama; Zitat aus dem Buch „Dalai Lama,
Tag für Tag zur Mitte finden“, Seite 189,
Verlag Herder Spektrum)

Autor:  Ralf Manthey, Tel. 04103 – 1888730, Email: ralf-manthey[at]online.de

Von der Blüte zur Frucht

Blüten am Baum

Weiße Blüten vor blauem Himmel – die Streuobstwiese zeigte sich von Ihrer ganzen Frühlingspracht als sich eine Gruppe interessierter Menschen am 8. April um 17 Uhr zu dem Vortrag „Von der Blüte zur Frucht“ von der Biologin Heike Henning traf.

Einige der Bäume streckten uns ihre weißen Blüten entgegen, andere hingegen zeigten noch ihre Knospen. Gleich zu Beginn erfuhren wir, dass Apfel, Birne, Zwetsche, Mirabelle und Kirsche zur Familie der Rosengewächse gehören. Wer hätte das gedacht – obwohl, schön wie Rosen sind sie ja alle mal! 

Blüten und Knospen am Baum

Ob man anhand der Blüte erkennen kann, was nachher daraus wird? Erst einmal gab es eine Gemeinsamkeit festzustellen: Alle Blüten weisen jeweils fünf weiße Blütenblätter auf. Da müssen wir wohl ein wenig weiter in die Details einsteigen. Wir halten verschiedene Blüten in den Händen und lernen wie eine Blüte beschaffen ist und aus welchem Teil der Blüte nachher die Frucht entsteht. Ja, und hier ist ein Unterschied zu finden: Die Blüte von Steinobst (Kirsche, Zwetsche) sieht anders aus als die von Kernobst (Apfel, Birne). Weitere Hinweise geben dann die Rindenstruktur des Baumstamms und die Anordnung der Blüten am Zweig. Die Kirsche hat beispielsweise eine quergestreifte Rindenstruktur und die Blüten sind am Ende von längeren Stielen (in der Fachsprache: Dolden) zu finden.

Blütenbestimmung mit Bestimmungsbuch

Die Apfel- und Birnenbäume sind übrigens mit Ihrer Blüte etwas später im Jahr an der Reihe als Schlehen, Mirabellen und Kirschen. So konnten wir wunderschöne rosa Knospen bewundern, die in das zarte Grün der ersten Laubblätter gebettet waren und haben dabei noch einen Unterschied gefunden: Die Bäume von Kernobst schieben zuerst Laubblätter und dann Blüten. Beim Steinobst bilden sich hingegen zuerst die Blüten. Nur ein einziger Birnenbaum auf der Wiese hatte schon ein paar Blüten geöffnet. Doch das reichte uns ja aus, um den Unterschied zwischen Stein- und Kernobst erfahren zu können.

Knospen kurz vor der Öffnung

Insgesamt war sehr viel mehr als ein Vortrag, es war ein Erlebnis mit allen Sinnen! Die meisten Blüten haben übrigens ein leichtes Mandelaroma, denn die Neugierigen unter uns haben die Blüten auch verkostet.

Vielen Dank für diesen tollen, interessanten und wissensreichen Abend!

Autor: SP, Fotos: JK

Kuchen im Glas

Kuchen im Glas

Was gibt es bei diesem Wetter schöneres, als in der Sonne zu sitzen und ein Stück Kuchen zu essen? Nicht jeder hat einen sonnigen Balkon oder Garten zur Verfügung oder jedes Wochenende Zeit (und Lust) zu backen oder genug Leute, die bei der Vernichtung helfen. Sich immer beim Bäcker ein Stück Kuchen zu holen ist natürlich eine Lösung, aber geht auf der einen Seite irgendwann ins Geld und produziert auf der anderen einen ganz schönen Haufen Müll.

In unserem zwei-Personen-Haushalt treffen die meisten der oben genannten Dinge zu. Backen ist dann doch zeitaufwändiger als man denkt und der fertige Kuchen, den man im Supermarkt kaufen kann, wenn der Bäcker zu teuer ist, ist eigentlich nur süß. Bei Stöbern auf verschiedenen Websites oder in Backbüchern bin ich immer wieder auf „Kuchen im Glas“ gestoßen. Einmal backen, Deckel drauf und lange genießen: das klingt doch nach einer guten Idee! Zudem kann man diesen Kuchen auch sehr einfach auf Ausflügen und Fahrradtouren transportieren.

Aber wird der Kuchen wirklich haltbar? Welche Gläser nimmt man am besten? Was muss man bei welchen Rezepten beachten? Es gibt viele Fragen, die einen immer wieder davon abhalten, Dinge einfach mal auszuprobieren. Doch als wir uns vornahmen, mehr auf Plastik und Abfall zu verzichten und uns näher mit Einkochen und dem Haltbarmachen von Lebensmitteln beschäftigten, muss man dann mit irgendwas endlich mal anfangen.

Für Kuchen im Glas füllt man den fertigen Teig in die ausgewählten Gläser. Diese sollte man am besten nur halb füllen. Der Kuchen wird ganz normal im Ofen gebacken, die Backzeit muss gegebenenfalls angepasst werden, da die Gläser vermutlich kleiner als eine Kuchenform sind. Nach einer positiven Stäbchenprobe werden die Gläser aus dem Ofen geholt und sofort verschlossen. Beim Auskühlen bildet sich dann optimalerweise ein Vakuum, wodurch die Kuchen haltbar werden.

Kuchen im Glas: befüllte Gläser ungebacken

Unsere Wahl fiel auf einen Marmorkuchen in Twist-Off-Gläsern von süßem Brotaufstrich, von denen wir genügend hatten. Am besten geeignet für Kuchen im Glas sollen Sturzgläser sein, also Gläser, deren Rand sich nach oben hin nicht verengt. Auch Weck-Gläser sind natürlich gut geeignet. 

Einen geraden Rand hatten unsere Gläser nicht, allerdings ist es gerade bei größeren Gläsern vielleicht eine gute Idee, wenn man den Kuchen stürzen und in Stücke schneiden möchte und nicht wie wir einfach aus dem Glas löffelt. Das Fetten und Ausstreuen mit Mehl oder Semmelbröseln haben wir im Eifer des Gefechts vergessen, was sich aber nicht als dramatisch herausgestellt hat. Der fertige Kuchen lässt sich gut vom Rand lösen.

An Rezepten eignen sich laut der verschiedenen Quellen am besten einfache Rührteige ohne Obst, bei denen die „Heiß verschließen“-Methode bedenkenlos angewendet werden kann. Bei Teigen, die Obst enthalten empfiehlt es sich, den fertigen Kuchen noch einmal einzukochen. Beim „Heiß verschließen“ sollte man die Deckel vor dem Verschließen in heißes Wasser legen, um ein Springen des Deckels zu verhindern, da dieser auf die heißen Gläser direkt aus dem Ofen gedreht wird.

fertiger Kuchen im Glas mit eingestecktem Löffel

Unser Fazit: innerhalb von zwei Tagen haben wir schon zwei Gläser verputzt, der Kuchen schmeckt gut und ist schön saftig. Allerdings lässt sich so natürlich kein Haltbarkeitstest durchführen, aber vielleicht gibt es beim nächsten Mal kleinere und dafür mehr Gläser und wir hauen uns die nächsten Tage mal ordentlich auf die Finger. Vakuum hatte sich in beiden bisher geöffneten Gläsern gebildet und scheint sich auch bei den anderen Gläsern gezogen zu haben. Das „Heiß verschließen“ hat also soweit funktioniert.

Achtung! Selbst wenn sich ein Vakuum gebildet hat, sollte man sich bei eingekochten Lebensmitteln immer auf all seine Sinne verlassen und vor dem Verzehr daran riechen und gegebenenfalls probieren. Außerdem sind eine saubere Arbeitsweise in der Küche sowie frische Zutaten sind wichtig.

Wer sich weiter in das Thema vertiefen möchte, hier ein paar Anregungen: 

Facebookgruppe „Einkochen wie zu Omas Zeiten“

Text JG, Bilder JG & BG

Guerilla Gardening (Die freche Schwester von Urban Gardening) – Ein (leider gescheiterter) Versuch oder: Herzensangelegenheit

Guerilla Gardening (Die freche Schwester von Urban Gardening) – Ein (leider gescheiterter) Versuch oder: Herzensangelegenheit

Drei über einen Meter lange Eisenstangen, eine 50 m lange Schnur, ein angespitztes Stück Dachlatte, eine Pappschablone, ein paar Reißzwecken, ein Laserpointer, ein Fäustling (= ein dicker Hammer), ein Honigglas randvoll mit Mohnsamen gefüllt, ein Smartphone, ein Kompass, eine Taschenlampe und zwei WalkieTalkies. Das klingt wie eine merkwürdige Aufzählung aus einem Backrezept: Man nehme… Nein, diese Ansammlung von Gegenständen laden mein Sohn und ich eines Abends im Frühjahr vor ein paar Jahren auf unsere Fahrräder. In die Dunkelheit hinein fahren wir in die Südostecke Schulaus, zum ehemaligen Mobil-Oil-Parkplatz.

Mobil-Oil gibt es hier schon lange nicht mehr, das Mineralölwerk ist längst verschwunden, der im letzten Krieg stark kontaminierte Boden wird jetzt endlich aufwändig saniert. Riesige Mengen Boden wurden ausgetauscht, die ganze Fläche dann mit einer lehmhaltigen Schicht abgedeckt, auf der sich inzwischen Grünzeug breit gemacht hat. Nur ein Gebäude steht auf dem Gelände, es enthält Pumpen, Filter und Sammelbehälter: Aus den Tiefen des Bodens werden hier versickerte ölhaltige Wässer gepumpt und aufbereitet. In dem Gebäude stinkt es nach Jahren des Betriebs noch immer ziemlich stark nach Öl. Aber auf der Oberfläche des Geländes passiert augenscheinlich seit Jahren nichts. Es soll hier mal ein Gewerbegebiet entstehen. Es soll…

Gar nicht weit entfernt hat vor wenigen Jahren ein großer Teil der Schrebergartenanlage Im Nieland einem anderen Gewerbegebiet weichen müssen. Im Sommer nach der Räumung wuchs dort sehr viel wunderschön rot bis rosa blühender Mohn. Zuerst habe ich den mit dem Grün der Wiese kontrastierenden Mohn nur fotografiert. Als er verblüht war, habe ich eine große Tüte voll Mohnkapseln geerntet und sie zuhause zum Trocknen ausgebreitet. Von den trockenen Kapseln habe ich dann jeweils den hübsch geformten Deckel abgetrennt und die Deckel wiederum als Fotomotiv verwendet. Mit den dabei frei gewordenen, trockenen Mohnkörner habe ich ein leeres Honigglas bis oben hin gefüllt.
Diese Samen sollen nun wieder in die Erde.

Durch eine allgemein bekannte Lücke im Bauzaun betreten wir von Süden das riesige brachliegende Mobil-Oil-Gelände. Mithilfe des Smarphones und einer entsprechenden App finden wir im Dunkeln den Ausgangspunkt für unsere Aktion. Hier rammen wir den kurzen, angespitzten Holzpflock möglichst senkrecht in die Erde. Darauf befestigen wir, nach dem Kompass ausgerichtet, die vorbereitete Pappschablone. Wir laufen exakt 120 m nach Norden und rammen hier die erste Eisenstange in den Boden. Nun geht es nach Westen. Nach 50 m pflanzen wir die zweite Eisenstange. Wir gehen zurück zur ersten Eisenstange, gehen von dort ebenfalls 50 m nach Osten und versenken dort die dritte und letzte Eisenstange in den Boden. Am oberen Ende dieser Eisenstange befestigen wir das Ende der langen Schnur und rollen sie ab bis zur ersten Eisenstange. Hier binde ich mir das andere Ende der Schnur um den Bauch. Mein Sohn geht zurück zum Holzpflock mit der Pappschablone. Über die WalkieTalkies halten wir Kontakt. Ich öffne das Honigglas mit den Mohnkörnern und beginne, wie man eine Priese Salz über ein Gericht streut, die Mohnkörner als eine schmale Spur auf den Boden vor mir zu streuen. Dabei gehe ich langsam vorwärts. Die Schnur um meinen Bauch sorgt dafür, dass ich einen großen Kreisbogen um die dritte Eisenstange laufe. Mein Sohn hat den Laserpointer auf der Pappschablone positioniert und eingeschaltet, so dass er bodennah über den Acker leuchtet. Mein Sohn beobachtet, wann ich auf meinem Kreisbogen genau in die Laserlinie laufe und gibt mir dann per WalkieTalkie Bescheid. Ich löse die Schnur um meinen Bauch und säe nun geradlinig auf meinen Sohn zu bis ich vor ihm und der Pappschablone mit dem Laserpointer stehe. Wir suchen in der Dunkelheit die Eisenstangen wieder, befestigen die Schnur nun an der im Westen stehenden, zweiten Eisenstange. Von der mittleren, ersten Eisenstange säe ich nun einen Kreisbogen zur anderen Seite, nach Westen. Wieder beobachtet mich mein Sohn und schickt mich zum richtigen Zeitpunkt vom Kreisbogen auf eine gerade Linie. Als ich bei ihm ankomme, haben sich um meine Schuhe große Lehmklumpen geklebt und das Honigglas enthält nur noch einen kleinen Bodensatz Mohnkörner. Ich habe gut gewirtschaftet, wir haben es geschafft, die gewünschte Kontur komplett zu säen. Wir sammeln die drei Eisenstangen, die Schnur, den Holzpflock mit der Schablone wieder ein, wir wollen schließllich nichts hinterlassen als die Mohnsamen.

Was nur haben wir Zwei da im Dunkeln gemacht? Ist das klar geworden?Per GoogleMaps haben wir vorher festgestellt, wie groß die unbebaute Fläche des Mobil-Oil-Geländes südlich des einzigen Gebäudes auf dem Gelände ist. In diese Fläche haben wir, geometrisch so einfach wie möglich, aus zwei Kreisbögen und zwei geraden Linien, die sich am Fußpunkt unter 90° treffen, genau in Nord-Süd-Ausrichtung größtmöglich ein riesiges Herz eingepasst. Die Positionen des Fußpunktes und die Entfernungen von dort zu den Mittelpunkten der Kreisbögen haben wir daraus bestimmt.
Unsere Idee war es, Wedel sozusagen wie einem Stück Kleidung ganz unten rechts in der Ecke ein freundliches Logo zu verpassen: auf grünem Untergrund eine rote Spur aus blühendem Mohn, die ein Herzsymbol bildet.

Leider muss ich ein paar Tage später morgens aus dem Linienbus heraus beobachten, wie über dem Mobil-Oil-Gelände ein Sturzregen niedergeht. Schade, es hätte so schön aussehen können. Und wenn das 200 m breite und 170 m hohe Herz (die Fläche von knapp 6 Fußballfeldern) erst einmal auf den Satellitenaufnahmen von GoogleMaps erschienen wäre…

Text und Fotos, JK

Müllsammeln – für ein sauberes Schleswig-Holstein

Müllsammeln am Elbhochufer

Eine Bank, ein Polster und ein Teppich… nein, wir sind nicht umgezogen. Dies und noch viel mehr haben wir in dem Grünstreifen am Elbwanderweg gefunden.

Am 23.03.2019 räumt Schleswig-Holstein auf. Gemeinsam haben MitgliederInnen des Klimaschutzfonds Wedel e.V. und Wedel-im-WandlerInnen Müll zwischen Kraftwerk und Graf-Luckner-Haus gesammelt. 

Müllsammeln am Elbhochufer

Mit 16 Erwachsenen und 2 Kindern waren wir zwischen 10 und 12 Uhr im Einsatz. Es ist ganz erstaunlich, was man auf den zweiten, dritten oder vierten Blick alles so findet. Von den leeren Bierflaschen im Brombeergestrüpp, bis hin zu Plastikdeckeln, Verpackungen von Süßigkeiten und ganz vielen kleinen Plastik- und Styroporschnippseln. 

Mülltransport mit dem Lastenfahrrad

Unsere „Ausbeute“, die gut 10 vollen Müllsäcke und die Wohnungseinrichtung, haben wir zum Hans-Böckler-Platz gebracht, die dort umgehend von der städtischen Reinigung abgeholt wurde. So schnell, dass wir nicht einmal das Ergebnis fotografisch festhalten konnten.

Einige trafen sich dann ab 12 an der Feuerwehrwache auf eine Bratwurst, die die Stadt Wedel allen fleißigen HelferInnen als Dank spendierte.

Fazit: Warum nicht ab und zu mal eine Stunde sammeln gehen. An den Wegesrändern liegt immer etwas rum. Das fällt einem sogar noch besonders auf, wenn man gerade so auf Müll fokussiert war.

Text: SP

Kleidchen wechsel Dich!

Blusen auf Bügeln

Wedels erste Kleidertauschparty fand am 9. März 2019 in der Stadtbücherei Wedel statt. Schon am Freitag hatten einige Teilnehmerinnen ihre Klamotten abgegeben, sodass der Eingangsbereich der Bücherei schon vor dem offiziellen Beginn an einen riesigen Kleiderschrank erinnerte. Zwischen Bücherregalen hingen Blusen, an den Wänden hatten Hosen ihren Platz auf Tischen gefunden, Jacken und Pullover tummelten sich dazwischen auf bereitgestellten Kleiderstangen und Garderoben. Eine Umkleide war in der Garderobe eingerichtet.

Schon gegen 13 Uhr, dem offiziellen Beginn, wuselten nicht nur die Helferinnen zwischen Eingang und Kleiderständern hin und her, sondern auch zahlreiche Besucherinnen. Die Tauschchips wurden schnell weggesteckt, denn zum Erstaunen einiger konnte man hier tatsächlich etwas Tolles zum wieder mitnehmen finden. Und die Wahl wurde einem nicht immer leicht gemacht!

Was für ein Glück, dass man hier und da noch eine liebe Frau fand, die noch einen Chip übrig hatte. Entweder, weil sie zu den wenigen gehörte, die nichts Neues fand oder weil sie nichts Neues finden wollte. Minimalismus im Kleiderschrank und so.

Die Umkleide platze schnell aus allen Nähten, aber Frau war ja unter sich und so wurde auch der Kinderbuchbereich zur Umkleidekabine oder Frau hüpfte in Legings und Hemdchen von Kleidchen zu Bluse und fühlte sich einfach wohl.

Neben der entspannten „Frauen unter sich“-Atmosphäre begeisterte die Organisatoren (und hoffentlich alle anderen) der bunte Haufen, der sich in der Stadtbücherei zusammen gefunden hatte. Töchter, Mütter, Tanten, Großmütter, Großtanten mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen hatten sich zusammengefunden. Frau schusterte sich gegenseitig, ob bekannt oder fremd, die passenden Teile zu. Gerade für die jüngste Generation hätten es aber gerne ein paar mehr Teile sein können. (Also: nächstes Mal mehr Töchter oder Freundinnen mitbringen, dann ist die Auswahl größer!)

Die ausgelassene Stimmung trug auch dazu bei, dass neu abgegebene Kleidung gar nicht bis auf die Kleiderstangen gelangten, sondern den Helferinnen auf dem Weg dahin quasi aus den Händen gerissen wurde. So geht´s natürlich auch.

Auf einem Flipchart am Ausgang wurde eifrig Feedback abgegeben, was fast ausschließlich positiv war. Es sieht danach aus, dass es auf jeden Fall weitere Tauschpartys geben wird, auf die nächste aber wohl noch ein bisschen gewartet werden muss. Die Tauschregeln (7 Teile pro Frau) werden wohl beibehalten, da nach Ende der Tauschparty noch 5 Säcke Kleidung übrig war, die dann zwar der Kleiderkammer des DRK zugute kam, was ja aber nicht der Sinn einer TAUSCHparty ist. Einzig die Dauer der Party wird sich wohl verkürzen, da in der letzten Stunde kaum mehr etwas los war. Das weitere Feedback wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter reflektiert und bearbeitet.

Wer Lust hat, beim nächsten Mal auch hinter den Kulissen dabei zu sein, ist herzlich willkommen! Melde Dich einfach unter info(äd:)wedel-im-wandel.de

Fridays for future

Fridays for future

Nicht nur Schüler gehen deutschland- und europaweit auf die Straße. Auch einige von Wedel im Wandel haben sich, zum Teil mehrfach, auf den Weg in die Hamburger Innenstadt gemacht und das Engagement der Schüler unterstützt.

Toll, wieviele junge Leute dort engagiert protestiert haben! Und toll, wieviel Fantasie für ihre Schilder aufgewendet haben!

Kommentar JK

Plogging

Plogging

„Plogging“ sagt die Dame auf der Abendveranstaltung. Sie schaut in fragende Gesichter. Die Dame erläutert: „Das ist, wenn man beim Jogging Müll aufsammelt.“ Aha. Eine neue Trendsportart also, mit griffiger Bezeichnung.
Wikipedia erklärt mir später: „Plogging ist ein Kofferwort, gebildet aus den Bestandteilen „plocka“ (schwedisch aufheben) und Jogging, und steht für eine Natursportart, bei der – zumeist organisiert und mit Handschuhen sowie Abfallbehältnissen ausgestattet – die Vermüllung der Landschaft bekämpft wird.“ Nun ist alles klar.
„Plogging“ denke ich am nächsten Morgen unter der Dusche. Mein Bruder hat gerade eine neue Sportart für sich entdeckt, ich bin etwas neidisch. Soll ich es nun mal mit Plogging probieren? Aber Joggen ist nun gar nicht so meins, das müsste ich dann irgendwie ersetzen. Schon oft habe ich, wenn ich unterwegs war, den Müll anderer Leute aufgesammelt. Ich mag keine vermüllte Landschaft.
Für meinen heutigen Tagesausflug packe ich einen gelben Sack von der Rolle in die Seitentasche meines Rucksackes. Mal sehen.
Es geht zum Trischendamm. Der Trischendamm liegt dort, wo alle Autos HEI DI, HEI NO, HEI KE, HEI NZ und HEI KO heißen, weil ihre Kreisstadt HEI DE heißt. Am südlicheren Westzipfel Dithmarschens ragt der Trischendamm jenseits des Deiches 2,2km in die Nordsee, also ins Wattenmeer, hinaus und verlängert sozusagen der Elbe nördliches Ufer. Schon zu Grundschulzeiten habe ich diesen Damm besucht und komme immer gern mal wieder hierher. Einst habe ich am Ende dieses Dammes meiner Freundin den Verlobungsring aufgesteckt. Und auch mit Kinderwagen und später selbst laufenden Kindern sind wir hier gewesen, aber gern komme ich auch allein hierher. Selbst in Motorradstiefeln habe ich den Weg schon bewältigt. Kurz: ich kenne den Damm seit gut fünfzig Jahren.

Ich parke gebührenfrei in Friedrichskoog und fahre mit dem Fahrrad außendeichs nach Friedrichskoogspitze, schließe das Rad an und beginne meine Wanderung auf den Damm hinaus. Es erstaunt mich, wieviel Müll hier herumliegt. Der meiste Müll liegt auf der nördlichen Seite des Dammes. Ich wandere ganz zum Ende des Dammes, mache brav meine Touristenfotos, die Augen genießen den Blick in die Weite, die Nase die frische Luft, die Ohren die Ruhe, alle sind zufrieden.
Auf dem Rückweg ziehe ich den gelben Sack aus dem Rucksack und beginne den Müll einzusammeln. Die von Wikipedia empfohlenen Handschuhe brauche ich nicht, Finger kann man hinterher waschen. Auch „organisieren“ kann ich mich alleine. Mehr oder minder große Stücke aus Fischernetzten, Luftballons, Plastikflaschen, ein paar (nicht Paar) Schuhe, eine Sandschaufel, Plastikbecher, Plastikfolienstücke jeder Dicke und Größe, eine große, schlickverschmierte Plastikkiste, ein Reibholz (= Fender eines Binnenschiffes aus Holz) mit langem Kunststoffseil daran, Lebensmittelverpackungen aller Arten und Größen, Flaschenverschlüsse, Trinkhalme, ein Plastikeimerchen noch halb voll mit einem Schmierfett, eine Kartusche (so eine wie man sie für Silikon kennt), aber ebenfalls noch teilweise mit Schmiermittel gefüllt, drei große Plastikkanister und vieles mehr sammle ich an den steilen, rutschigen, basaltgepflasterten Flanken des Dammes ein oder angele ich mit bereitliegenden Stöcken aus dem Wasser. Bei auflaufendem Wasser muss ich schon aufpassen, dass ich mir dabei keine nassen Füße hole. Ich turne auf allen Vieren immer wieder an der Wasserkante herum, kralle mich mit den Fingern an den Kanten der Basaltblöcke fest. Ich ersetze also das Joggen in Plogging durch Freeclimbing. Wie bildet man daraus nun ein neues Kunstwort?
Das Reibholz ist ganz schön schwer, bestimmt zwei Kilometer zerre ich es an seiner Leine auf der Dammkrone wie einen störrischen Hund hinter mir her in Richtung Deich.

Friedrichskoogspitze ist gut besucht, der große, gebührenpflichtige Parkplatz hinter dem Deich ist reichlich mit Autos gefüllt. Dementsprechend kommen immer wieder Leute den Damm entlanggewandert und müssen mir zwangsläufig bei meinem Tun ein wenig zuschauen. Bei Vielen verstummt die Unterhaltung für die Zeit der Passage. Sprecht bloß nicht mit dem komischen Mann, der da im Dreck rumwühlt! Ein älterer Mann erzählt seinem Dackel: „Beim nächsten Mal ist dann alles sauber hier!“ und geht weiter. Mit sehr Wenigen wechsele ich ein paar Worte. Ich fasse mein Tun kurz: „Das ist das Mikroplastik der Zukunft. Jetzt ist es noch so groß, dass man es einsammeln kann!“ Erst neulich ging die Meldung durch die Medien, dass man nun sogar in menschlichem Stuhl Mikroplastik nachgewiesen hat. Mehrere meiner Gesprächspartner haben diese Meldung selbst auch gehört.
Auch ein junger Mann von der Schutzstation Wattenmeer geht mit der Gruppe, die er führt, schweigend vorbei. Auch auf dem Rückweg hat er zu tun, er erklärt seinen Gästen gerade irgendwelche politischen Probleme rund ums Wattenmeer.
Ich mache eine Pause, setze mich auf das Podest eines Münzfernrohrs am Deich und futtere Proviant aus meinem Rucksack. Zwei Frauen mit großen Eisbechern, wohl Mutter und Tochter, gehen an mir vorbei auf den Damm. Als ich mein Müllsammeln fortsetze, finde ich dann auch die beiden frisch geleerten Eisbecher am Damm. Ferkel! Hirnbefreit?
Der junge Mann von der Schutzstation Wattenmeer ist seine Besucher los und kommt, zu meiner Überraschung, zurück. Mit den Händen in den Hosentaschen fragt er, warum ich denn den Müll aufsammle. Ich antworte mit Gegenfragen: „Soll ich nicht? Soll das so bleiben? Sieht doch schlimm aus. Ich komme seit vielen Jahren hierher und so schlimm sah es noch nie aus. Liegt wahrscheinlich daran, dass gerade die erste Sturmflut der Saison war.“ Wir unterhalten uns ein wenig. Der junge Mann in blauer Takelbluse mit großem Logo der Schutzstation Wattenmeer darauf, ist BFD, erzählt mir später ein schlauer Schaukasten. Seine Kollegen sind HBFD, FÖJ und ebenfalls BFD, aha. BFD ist wohl mit Bundesfreiwilligendienst zu übersetzen. Das Wort Plogging hat er schon einmal gehört, das machen die in den Städten, sagt er. Er fragt, wo ich denn mit dem Müll bleiben wolle. Ich sage, ich könnte alles bei seiner Schutzstation Wattenmeer vor die Tür stellen, so als Anschaungsmaterial für ihre Ausstellung. Schweigen – welcher Art auch immer. Er erzählt mir, dass sie neulich eine Müll-Kartierung gemacht haben, da war auch ein großer Kanister dabei, der liegt da wahrscheinlich immer noch. Mit den Händen in den Hosentaschen tröstet er mich dann, ich sei ja bald fertig und er müsse dann mal weiter.
Am Deich breite ich alle meine in etwa zweieinhalb Stunden gesammelten Schätze an einer windstillen Stelle in der Abendsonne zum Gruppenfoto aus.

Nachdem ich das Bild im Kasten habe, schleppe ich alles zum Anfang des Trischendamms direkt am Deich und stelle es dort auf wie man seine Mülltonne am Straßenrand zur Leerung platziert. Damit nichts wegfliegt, beschwere ich alles mit dem Reibholz. So lasse ich das Ganze stehen.
Ich blicke zurück den Trischendamm entlang. Ist doch schön, wenn es da draußen jetzt etwas sauberer ist, die Vögel sich wenigstens dort keine Kunststofffasern mehr zum Nestbauen oder zum darin Verheddern holen können.
Meinen gelben Sack nehme ich wieder mit, den kann ich trocknen und nochmal benutzen.
Gerade geht eine Mutter mit zwei kleineren Kindern auf den Damm hinaus. Eins der Kinder führt einen selbstgebauten Drachen mit, so richtig mit vielen bunten Schleifen am Schwanz. Das junge Paar mit der Gitarre in der Hand ist schon weiter draußen.
Weiter draußen auf der Elbe vor Cuxhaven begegnen sich gerade unter der schon tief stehenden Sonne die Contanainerriesen CMA CGM B FRANKLIN (399m x 54m), ONE CONTINUITY (320m x 46m) und NYK EAGLE (364m x 51m). Die bringen bestimmt ganz viele tolle neue Produkte aus Plastik!
Ich radele zurück nach Friedrichskoog. Am mausetoten Hafen suche ich das Haus der Schutzstation Wattenmeer auf, aber dort ist niemand mehr, dem ich erzählen könnte, wo sie den Müll nun gesammelt abholen könnten.
Der Hafen von Friedrichskoog ist nach langem Kampf der örtlichen Bevölkerung gegen die Landesregierung nun wirklich mausetot, weil die Landesregierung die Deichschleuse, durch die früher Kutter und Segler fuhren, in ein Schöpfwerk hat umbauen lassen. Die alten Schleusentore liegen noch gestapelt auf dem Hafengelände.
Früher war der Hafen voll mit Krabbenkuttern und Booten, drumherum gab es mehrere Gastronomiebetriebe sowie eine Werft. Alles Geschichte.
Auf dem großen Parkplatz am Hafen war schon bei meiner Ankunft eine Ansammlung von großen, geschlossenen Kleinlastwagen mit polnischen und bulgarischen Kennzeichen. Offenbar sammeln sie in dieser Gegend den Sperrmüll ein, der aktuell überall vor den Häusern auf dem Bürgersteig steht. Als ich zu meinem Auto zurückkehre, sind dort gerade wieder vier der Fahrzeuge versammelt und die Fahrer zeigen sich gegenseitig, was an metallhaltigem Müll sie ergattert haben und tauschen dies und das hin und her.


Wäre doch toll, wenn sich auch mal Leute finden würden, die sich für Plastikmüll interessieren und den einsammeln. Aber dazu muss wohl auf jedem Fitzel Pfand drauf sein, sonst fehlt es an der nötigen Motivation.
Durch die mit Weißkohl und Rotkohl und weißen, rot blinkenden Windrädern bestandenen Felder der Köge Süderdithmarschens mache ich mich auf den Heimweg. Mir fällt ein, dass auch Flagge und Wappen Dithmarschens im Wesentlichen in den Farben Rot und Weiß gehalten sind, gibt es da etwa einen Zusammenhang?
Im Rückspiegel sehe ich den letzten orangen Sonnenstreifen am Horizont verschwinden.

Text und Bilder: JK, 2018-10-29

Wedel – genial, grün, essbar: Erste Hochbeete auf Spielplatz aufgebaut

Gruppenfoto bei Hochbeetpflanzung


Unsere erste Pflanzaktion mit essbarem Grün ist an den Start gegangen. Am 28.08.18 haben wir gemeinsam mit der Stadt Wedel und gefördert vom Ortsverband des Kinderschutzbunds auf dem Spielplatz am Hans-Böckler-Platz zwei Hochbeete und verschiedene Johannisbeerbüsche zusammen mit den Anwohnern und Spielplatzbesuchern installiert und bepflanzt. Verschiedene Küchenkräuter haben hier jetzt ein Zuhause und können von allen Anwohnern genutzt werden. Auch für die Pflege und Bewässerung wünschen wir uns die tatkräftige Unterstützung der Nachbarschaft. Durch die Wasserpumpe direkt neben den Hochbeeten ist das ein „Kinderspiel“. Im Frühling 2019 wollen wir die Beete mit pflegeleichtem Gemüse bepflanzen. Wir sind gespannt, ob sie ihren festen Platz im Stadtteil finden

Gruppenfoto bei Hochbeetpflanzung
Copyright by Hamburger Abendblatt, Dominik Kordt

Und das soll nur der Anfang sein: Im Frühling 2019 soll die Pflanzaktion weitergehen! Die Bepflanzug des nächsten Spielplatzes mit essbarem Grün ist schon in Planung.

Text: FT, August 2018